Osterholzer-Kreisblatt, 7.10.2000
Ein Werk gegen das Vergessen
Autor Klaus Schikore las in der Kreis- und Stadtbücherei
Von unserem Mitarbeiter Peter von Döllen Osterholz-Scharmbeck. Zu Beginn stellte Klaus Schikore einen kleinen Topf, der in Alufolie eingeschlagen war, auf den Tisch. Sogleich stellte sich gespannte Ruhe in der Kreis- und Stadtbibliothek Osterholz-Scharmbeck ein und ganz leise war eine Frage zu hören: " Hat er sich etwa Essen mitgebracht?" Die 30 Gäste mussten sich gedulden, bis sie eine Antwort auf diese Frage erhielten. Klaus Schikore trug zunächst einige Stellen aus seinem Buch "Trennungen" vor, der eine Fortsetzung der 1994 erschienenen autobiografischen Erzählung "Kennungen" darstellt. Klaus Schikore wurde 1929 in Stralsund geboren, wuchs in, der Zeit des Dritten Reiches auf und besuchte später eine Elite- schule der Nationalsozialisten. Im Oktober 1945 kehrte er wieder nach Stralsund zurück, wo er schnell erkannte, dass auch die neuen Machthaber in der sowjetischen Besatzungszone die Jugend für ihre Ziele missbrauchen wollten. Wegen einer Flugblattaktion wurde er 1948 verhaftet und zu 25 Jahren Zuchthaus verurteilt, die er in Bautzen verbrachte. Die Ausschnitte aus seinem Buch schildern die Schmerzen, die Wut der Gefangenen eines Staates, der von sich behauptete, Menschen zu befreien.
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Die Erzählungen richten sich vor allem an jüngere Leser. Als Warnung an die Jugend möchte Klaus Schikore seine Werke aber nicht bezeichnen. Sie sollen ein Aufruf zum Nichtvergessen in einer Zeit des Vergessens sein. Nach seiner Entlassung und der Flucht in den Westen studierte Klaus Schikore Germanistik, Geschichte und Philosophie. Seine erste Stelle brachte ihn nach Osterholz-Scharmbeck. "Ich fühle mich sehr wohl hier. Meine Familie, Freunde und Bekannte leben in Osterholz-Scharmbeck. Aber man ist immer hin und her gerissen zwischen zwei Orten", führte Klaus Schikore dazu aus. "Osterholz-Scharmbeck und Stralsund unterscheiden sich doch erheblich." Der Ostseestrand, die Kiefernwälder und die Binnenseen findet man so schnell nirgendwo, meint Klaus Schikore weiter Das kommt auch in seinen Gedichten zum Ausdruck, die er im weiteren Verlauf des Abends vortrug. Sie stammen aus dem ebenfalls gerade erschienenen Lyrikband "Zeit der Kormorane" Viele Gedichte entstanden während seiner Zeit im Gefängnis. Die meisten davon hat er in seinem Gedächtnis bewahrt oder in Briefen nach draußen geschmuggelt. Denn im Gefängnis war Schreiben verboten. "Ein Gedicht kann man aber nicht im Kopf verfassen. Man muss es vor sich sehen! " beschreibt Klaus Schikore die Schwierigkeit des Dichtens in der Zelle. Jetzt lüftete sich das Geheimnis des Topfes. Die Alufolie gab einen grünen Emailletopf frei. "Auf dem Boden meines Essenstopfes habe ich mit einem Aluminiumdraht, den ich beim Freigang gefunden hatte, meine Gedichte geschrieben" , offenbarte er den erstaunten Besuchern. Inzwischen sind viele Gedichte hinzu gekommen. Auch Osterholz-Scharmbeck und seine Umgebung haben ihren Platz darin gefunden. Dagmar Gerken, Leiterin der Kreis- und Stadtbibliothek, beendete den Abend mit der Hoffnung auf einen weiteren Gedichtband von Klaus Schikore. Viele der Besucher ließen sich ihre Bücher signieren. Vielleicht stand in einem auch der Widmungsspruch" Macht es besser! " |
Osterholzer-Kreisblatt, 7.10.2000